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Judith Kohlenberger: Wir, die anderen und der Konflikt als Chance
KurierWie ein „Wir-Gefühl“ ohne Ausgrenzung von anderen möglich ist. Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, zu einem „Wir“, entscheidet über Leben und Tod – nicht nur, aber besonders in einer Pandemie. Diese mutige These vertritt die Kulturwissenschafterin und Migrationsforscherin Judith Kohlenberger in ihrem neuen Buch „Wir“ (Kremayr & Scheriau). Gerade im ersten Lockdown sei deutlich geworden, wie stark emotionalisierend das Wort „wir“ sein kann, erzählt die Autorin im Gespräch mit dem KURIER – besonders wenn die drei Buchstaben aus dem Mund von Politikern kommen. Sätze wie „Wir müssen zusammenhalten“, „Wir müssen durchhalten“ würden niemanden kalt lassen. Aber die Corona-Krise habe auch gezeigt, wie leicht dieses „Wir“ zu instrumentalisieren sei. Denn wenn von einem „Wir“ gesprochen wird, gibt es eben immer auch „die anderen“. Deutlich sei das etwa bei der Debatte um die Abschiebung von drei Schülerinnen nach Georgien bzw. Armenien geworden. „Auch hier ging es um Zugehörigkeiten“, sagt Kohlenberger. Einerseits sei da ein „wir Staatsbürger“, zu dem die Mädchen nicht gehören. Auf der anderen Seite ein „wir, die wir uns als Österreicher fühlen“, zu dem sie durchaus zu zählen sind. Daraus entstehe ein Konflikt. Durch das Ausstreiten von Konflikten könnten sich die Grenzen von Gemeinschaften allerdings ausdehnen. Als Beispiel dafür nennt Kohlenberger in ihrem Buch die Frage „Gehört der Islam zu Österreich?“. Noch vor einigen Jahren sei das undenkbar gewesen, stehe heute aber sehr wohl zur Debatte. Die Grenze dessen, was wir als „Wir Österreicher“ definieren, habe sich erweitert.
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